Sagen aus Latsch von Hermann Lampacher: Die Stephanskapelle auf Montani
Auf dem nördlichen Teil der Moräne vor dem Eingang ins Martelltal stand eine kleine Burganlage, welche heute nur mehr als Teilruine existiert. In dieser Burg wohnte vor etlichen Jahrhunderten ein bescheidener Edelmann mit seiner angetrauten Gattin und einem recht lebhaften und wagemutigen Sohn, namens Stephan. Eines Tages wagte sich dieser in seinem Übermut zu weit an den Hang der Plima aus dem Martelltal, rutschte über den Steilhang hinunter, blieb am Ufer des Wildbaches liegen und wurde durch nachrollende Steine lebensgefährlich verletzt. In ihrer großen Not erbaten die beiden Edelleute von der Gottesmutter und vom hl. Stephan, welcher seinerzeit durch Steinigung den Tod gefunden hatte, für ihren Sprössling Genesung. Auch gelobten sie im Falle vollständiger Heiligen, den beiden zu Ehren eine Kapelle erbauen zu lassen. Wie Stephan vollständig genesen war, hielten die beiden ihr Versprechen und ließen westlich der oberen Burganlage auf dem Felsen, nahe am steilen Abgrund zur Plima, eine Kapelle zu Ehren der Gottesmutter und des hl. Stephanus erbauen. Einige Jahrhunderte danach wurde an Stelle dieser Kapelle eine größere und schönerer erbaut, welche im 15.Jahrhundert von Künstlern der niederländischen, der schwäbischen und der lombardischen Schule mit Fresken versehen wurde. Heute noch kann man in dieser Kapelle, welche sogar als „Sixtinische Kapelle“ des Vinschgaus bezeichnet wird, die wundervollen und zum Teil sehr gut erhaltenen Fresken dieser Meister bestaunen.